- Raumflugkörper: Lenkung und Navigation
- Raumflugkörper: Lenkung und NavigationZur Beeinflussung der Flugbahn besitzen Raumflugkörper immer ein Lageregelungs- und Lenkungssystem. Grundlage jeder Lage- und Flugbahnänderung (Raumflugmanöver) ist die Kenntnis der momentanen Position, Geschwindigkeit, Flugrichtung und Ausrichtung des Raumflugkörpers relativ zu seinem Bezugspunkt, z. B. der Erde oder der Sonne.Zur Lagebestimmung benötigt jeder Raumflugkörper ein raumfestes Bezugssystem. Dieses liefert eine um alle drei Raumrichtungen frei beweglich gelagerte Trägheitsplattform (vollkardanische Aufhängung). Auf ihr befinden sich jeweils um 90 º versetzt, zwei oder drei rasch rotierende Kreisel. Ein Kreisel hat die Tendenz, seine Achsrichtung beizubehalten (Raumstabilität). Auf quer zur Drehachse gerichtete Kräfte reagiert er durch Schwenken der Drehachse senkrecht dazu (Präzession). Die Kreisel stabilisieren durch ihre Trägheit die Plattform, die dadurch ihre Orientierung beizubehalten versucht. Jede Bewegung des Raumflugkörper wird aufgrund der Lagerreibung auf die Plattform übertragen. Überwiegt die Reibung, so bewegt sich die Plattform mit dem Raumflugkörper mit. Die Präzession der Kreisel löst dann ein Signal aus, das einem Regelkreis zugeführt wird. Dieser sendet wiederum Signale an die Elektromotoren an den Aufhängungen. Die Motoren drehen die Kardanaufhängung, bis die ursprüngliche Lage wiederhergestellt ist. Damit bleibt die Plattform immer in derselben Lage im Raum. Durch Messung der Orientierung des Raumflugkörpers relativ zur stabilisierten Plattform kann seine Lage bestimmt und mit der Solllage verglichen werden. Mithilfe von drei zueinander senkrecht stehenden Beschleunigungsmessern auf der Plattform lassen sich die Richtung und Gesamtbeschleunigung des Raumflugkörpers bestimmen. Aus der Integration der Beschleunigungen in allen drei Raumrichtungen ergeben sich die Flugrichtung und Geschwindigkeit. Eine zweite Integration liefert die Position. Die so gewonnenen Daten werden mit der vorausberechneten Sollflugbahn verglichen, und falls nötig werden Kurskorrekturen eingeleitet.Reine Trägheitsnavigation erfordert aufwendige und teure Kreiselsysteme. Auch mit ihnen ist es nicht möglich, Kreiseldriftfehler so weit auszugleichen, dass bei Flügen über Wochen oder Monate hinweg eine ausreichende Lagereferenz gewährleistet ist. Deshalb wird die reine Trägheitsnavigation mit Zusatzsystemen wie Stern- oder Sonnenpeilern kombiniert. Durch Vergleich der aus beiden Verfahren gewonnenen Flugbahndaten und der Sollflugbahn im Bordcomputer können die Kreiseldriftfehler entweder sofort oder in Mittelkursmanövern ausgeglichen werden.Als Lenkung bezeichnet man die Änderung der Schwerpunktsbahn eines Raumflugkörpers. Eng damit verknüpft ist die Lageregelung, d. h. die Winkeländerung um den Schwerpunkt. Im Bereich der Atmosphäre kann die Lenkung durch aerodynamische Hilfsmittel ähnlich wie bei Flugzeugen erfolgen. Im leeren Raum findet die Lenkung nur durch Krafteinwirkung (Schub) in die gewünschte Richtung statt. Wegen der hohen Fluggeschwindigkeiten müssen die Steuerkräfte groß sein. Diese werden von den Haupttriebwerken bereitgestellt. Eine Methode ist das Schwenken der Haupttriebwerke. Bei größeren Lenkmanövern ist der Schwenkbereich jedoch nicht ausreichend, weshalb eine Lageänderung des gesamten Raumflugkörpers zum Ausrichten des Haupttriebwerkes erfolgen muss. Hierzu setzt man kleine Hilfstriebwerke (Steuertriebwerke) ein.RaumflugmanöverRaumflugmanöver dienen zur Korrektur von Abweichungen zwischen der Sollflugbahn und der geflogenen Istflugbahn oder zur Anpassung an eine neue Flugphase (z. B. Eintritt in einen Orbit). Daneben gibt es auch reine Lagekorrekturmanöver, um z. B. bei Raumsonden die Antennen zur Erde und die Solarzellen zur Sonne auszurichten. Im Rahmen eines Flugprogramms unterscheidet man zwischen Anfangs-, Mittelkurs- und Endflugbahnmanöver. Unter Anfangsflugbahnmanövern werden diejenigen Manöver verstanden, welche zu möglichst genauen Ausgangswerten für die weiteren Flugphasen führen. Sie werden meist noch in der Atmosphäre und bei geringen Fluggeschwindigkeiten ausgeführt. Mittelkursmanöver werden dagegen grundsätzlich im luftleeren Raum vorgenommen. Wegen der hohen Fluggeschwindigkeiten ist der Energieaufwand bei Mittelkurslenkmanövern groß. Um Treibstoff zu sparen, wird deshalb nicht jede Bahnabweichung sofort korrigiert, sondern zu vorausgeplanten Zeitpunkten die summierten Fehler mit jeweils einem Manöver ausgeglichen. Endflugbahnmanöver dienen für letzte Flugbahnkorrekturen unmittelbar vor dem Ziel, um möglichst genaue Ausgangswerte für die End- oder Zielanflugphase zu erhalten.
Universal-Lexikon. 2012.